Ein Kommentar von Christina Grandrath
Datenschutz ist in Deutschland regelmäßig ein wichtiges Thema im politischen Alltag. Datenhandel und damit verbundene Skandale leider auch. Es gibt kaum ein Thema, bei dem Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen. Einerseits warnen Politiker der etablierten Parteien beständig vor Datenkraken wie Facebook oder Google, die mit den Daten ihrer Nutzer Geld verdienen. Andererseits sorgen die gleichen Politiker dafür, dass auch die Kommunen aktiv am Datenhandel teilnehmen können. Und zwar ganz legal. Diese Daten werden dann u.a. benutzt, um Kundenprofile und personalisierte Werbung zu erstellen.
Datenhandel auf staatliche Art
Die Einwohnermeldeämter dürfen Daten wie Vorname, Nachname, Anschrift und Doktorgrade an Privatpersonen und Firmen weitergeben. Das ist die sogenannte einfache Melderegisterauskunft. Unter bestimmten Umständen ist die erweiterte Auskunft möglich. Dann können u.a. Geburts- und Sterbedaten, frühere Anschriften, Familienstand sowie Name und Anschrift von Ehegatten bzw. Lebenspartnern von den Meldebehörden erfragt werden.
Der Regelfall ist jedoch die einfache Auskunft. Für Privatpersonen, Unternehmen und Parteien ist diese Auskunft kostenpflichtig, das heißt die Kommunen verdienen Geld mit Datenhandel. Der Preis für eine Auskunft unterscheidet sich je nach Gemeinde, liegt üblicherweise zwischen zwei und sieben Euro. Bei vielen Kommunen ist es problemlos möglich, eine Auskunft über das Internet einzuholen. In Bayern gibt es darüber hinaus die Zentrale Melderegisterauskunft (ZEMA), eine Anstalt öffentlichen Rechts, die IT-Dienstleistungen für Kommunen erbringt. Unternehmen, die regelmäßige und umfangreiche Auskünfte abfragen, haben dort sogar die Möglichkeit, die “Adresskettenverfolgung” zu nutzen. Dadurch kann auch nach einem Umzug immer die aktuelle Adresse eines Bürgers ermittelt werden.
Das ist aber noch nicht das Ende des Liedes vom Datenhandel. Private Dienstleister bieten ebenso kostenpflichtige Melderegisterauskünft an. Hier kommt jedoch hinzu, dass viele dieser Firmen die abgefragten Meldedaten in eigenen Datenbanken speichern. Dieses Vorgehen wird von Datenschützern stark kritisiert, da die Datenschutzgesetze eine solche Speicherung gar nicht erlauben.
Widerspruch ist möglich, aber mühsam
Jeder Bürger hat die Möglichkeit, der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen. Allerdings wird diese Möglichkeit nur wenig genutzt, da kaum jemand davon weiß. Bei jeder Anmeldung auf dem Einwohnermeldeamt kann mit einem einfachen Formular die Datenweitergabe an Adresshändler, Privatpersonen und Parteien untersagt werden. Die GEZ und die Kirchen haben weiterhin Anspruch auf (kostenfreie) Auskunft.
So lange ein Bürger der Weitergabe seiner Daten aber nicht aktiv widerspricht, bleibt der Datenhandel jedoch legal. Dieses Verfahren wird “Opt-Out” genannt und wird von Datenschützern heftig kritisiert, weil dabei Daten, die zu einem völlig anderen Zweck (Meldepflicht) erhoben wurden, weiterverkauft werden. Hinzu kommt, dass manche Meldeämter ein persönliches Erscheinen oder die Vorlage des Personalausweises verlangen. Ein Widerspruch über einen Onlineservice ist so gut wie nie möglich.
Hoffnung auf echten Datenschutz
Im September 2011 reagierte der Gesetzgeber auf diese Kritik und legte einen Reformvorschlag für das Meldegesetz vor. Darin war das sogenannte “Opt-In”-Verfahren vorgeschrieben. Das bedeutet, dass jegliche Meldedaten an Privatpersonen und -unternehmen nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen weitergegeben werden dürfen. Im Juli 2012 wurde dieser Gesetzesantrag jedoch stark verwässert und sogar ins Gegenteil verkehrt. Nach einer mittlerweile legendären nur 57 Sekunden langen “Debatte” im Bundestag wurde ein Gesetz beschlossen, dass die derzeitige Situation noch verschlechtert. Es wurde nicht nur das “Opt-In”-Verfahren wieder gestrichen, nein, es wurde sogar eine schwerwiegende Ausnahme hinzugefügt: Der Widerspruch gegen die Datenweitergabe ist dann wirkungslos, “wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden”. Das ist jedoch praktisch immer der Fall, da eine Melderegisterauskunft ohne vorher bekannte Daten gar nicht möglich ist. Im Bundesrat scheint sich das Blatt nun zu wenden: Mehrere Bundesländer haben angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der vehemente Protest von Datenschützern, Bürgerrechtlern und vielen Bürgern hat also bereits etwas genützt.
OptOutDay 2012
Auch die Piratenpartei setzt sich für eine Änderung des Meldegesetzes ein und veranstaltet aus diesem Grund am 20. September den dritten “OptOutDay”. An diesem Tag sollen Bürger auf die Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten informiert werden. In den meisten Meldebehörden wird der Bürger nämlich nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen, was für sich genommen schon schlimm genug ist.
Jeder Bürger sollte die Möglichkeit zum Widerspruch nutzen. Nicht nur, um ein Zeichen gegen den staatlichen und privaten Datenhandel zu setzen, sondern auch um die eigenen Daten zu schützen. Immerhin wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung schon länger ein “Opt-In”-Verfahren. Bereits im Jahr 2008 führte das Marktforschungsinstitut infratest dimap eine repräsentative Umfrage zum Thema Datenschutz und Werbung durch. Dabei sprachen sich 95% der befragten Personen dafür aus, dass persönliche Daten nur mit Zustimmung des Betroffenen weitergegeben werden. Immerhin 82% der befragten Personen fühlen sich durch Werbung belästigt. Um diesen klaren Wünschen auch politisch Ausdruck zu verleihen, ist ein aktiver Widerspruch gegen die Melderegisterauskunft ein einfacher Weg.
In diesem Jahr ist der Protest besonders wichtig aber auch besonders Erfolg versprechend, da der Bundesrat am 21. September über die Melderechtsreform beraten wird. Die Chance, dass der Gesetzgeber endlich etwas für einen grundlegenden Schutz der Meldedaten tut, ist also so groß wie schon lange nicht mehr.
Formular zum Widerspruch gegen Datenweitergaben
Hinweis der Red: In München werden wir uns am OptOutDay von 11:00 bis 16:00 vor das Kreisverwaltungsreferat (Ruppert-, Ecke Lindwurmstraße) stellen, um die Bürger zu informieren.
Ein Kommentar von Christina Grandrath
Datenschutz ist in Deutschland regelmäßig ein wichtiges Thema im politischen Alltag. Datenhandel und damit verbundene Skandale leider auch. Es gibt kaum ein Thema, bei dem Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen. Einerseits warnen Politiker der etablierten Parteien beständig vor Datenkraken wie Facebook oder Google, die mit den Daten ihrer Nutzer Geld verdienen. Andererseits sorgen die gleichen Politiker dafür, dass auch die Kommunen aktiv am Datenhandel teilnehmen können. Und zwar ganz legal. Diese Daten werden dann u.a. benutzt, um Kundenprofile und personalisierte Werbung zu erstellen.
Datenhandel auf staatliche Art
Die Einwohnermeldeämter dürfen Daten wie Vorname, Nachname, Anschrift und Doktorgrade an Privatpersonen und Firmen weitergeben. Das ist die sogenannte einfache Melderegisterauskunft. Unter bestimmten Umständen ist die erweiterte Auskunft möglich. Dann können u.a. Geburts- und Sterbedaten, frühere Anschriften, Familienstand sowie Name und Anschrift von Ehegatten bzw. Lebenspartnern von den Meldebehörden erfragt werden.
Der Regelfall ist jedoch die einfache Auskunft. Für Privatpersonen, Unternehmen und Parteien ist diese Auskunft kostenpflichtig, das heißt die Kommunen verdienen Geld mit Datenhandel. Der Preis für eine Auskunft unterscheidet sich je nach Gemeinde, liegt üblicherweise zwischen zwei und sieben Euro. Bei vielen Kommunen ist es problemlos möglich, eine Auskunft über das Internet einzuholen. In Bayern gibt es darüber hinaus die Zentrale Melderegisterauskunft (ZEMA), eine Anstalt öffentlichen Rechts, die IT-Dienstleistungen für Kommunen erbringt. Unternehmen, die regelmäßige und umfangreiche Auskünfte abfragen, haben dort sogar die Möglichkeit, die “Adresskettenverfolgung” zu nutzen. Dadurch kann auch nach einem Umzug immer die aktuelle Adresse eines Bürgers ermittelt werden.
Das ist aber noch nicht das Ende des Liedes vom Datenhandel. Private Dienstleister bieten ebenso kostenpflichtige Melderegisterauskünft an. Hier kommt jedoch hinzu, dass viele dieser Firmen die abgefragten Meldedaten in eigenen Datenbanken speichern. Dieses Vorgehen wird von Datenschützern stark kritisiert, da die Datenschutzgesetze eine solche Speicherung gar nicht erlauben.
Widerspruch ist möglich, aber mühsam
Jeder Bürger hat die Möglichkeit, der Weitergabe seiner Daten zu widersprechen. Allerdings wird diese Möglichkeit nur wenig genutzt, da kaum jemand davon weiß. Bei jeder Anmeldung auf dem Einwohnermeldeamt kann mit einem einfachen Formular die Datenweitergabe an Adresshändler, Privatpersonen und Parteien untersagt werden. Die GEZ und die Kirchen haben weiterhin Anspruch auf (kostenfreie) Auskunft.
So lange ein Bürger der Weitergabe seiner Daten aber nicht aktiv widerspricht, bleibt der Datenhandel jedoch legal. Dieses Verfahren wird “Opt-Out” genannt und wird von Datenschützern heftig kritisiert, weil dabei Daten, die zu einem völlig anderen Zweck (Meldepflicht) erhoben wurden, weiterverkauft werden. Hinzu kommt, dass manche Meldeämter ein persönliches Erscheinen oder die Vorlage des Personalausweises verlangen. Ein Widerspruch über einen Onlineservice ist so gut wie nie möglich.
Hoffnung auf echten Datenschutz
Im September 2011 reagierte der Gesetzgeber auf diese Kritik und legte einen Reformvorschlag für das Meldegesetz vor. Darin war das sogenannte “Opt-In”-Verfahren vorgeschrieben. Das bedeutet, dass jegliche Meldedaten an Privatpersonen und -unternehmen nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen weitergegeben werden dürfen. Im Juli 2012 wurde dieser Gesetzesantrag jedoch stark verwässert und sogar ins Gegenteil verkehrt. Nach einer mittlerweile legendären nur 57 Sekunden langen “Debatte” im Bundestag wurde ein Gesetz beschlossen, dass die derzeitige Situation noch verschlechtert. Es wurde nicht nur das “Opt-In”-Verfahren wieder gestrichen, nein, es wurde sogar eine schwerwiegende Ausnahme hinzugefügt: Der Widerspruch gegen die Datenweitergabe ist dann wirkungslos, “wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden”. Das ist jedoch praktisch immer der Fall, da eine Melderegisterauskunft ohne vorher bekannte Daten gar nicht möglich ist. Im Bundesrat scheint sich das Blatt nun zu wenden: Mehrere Bundesländer haben angekündigt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der vehemente Protest von Datenschützern, Bürgerrechtlern und vielen Bürgern hat also bereits etwas genützt.
OptOutDay 2012
Auch die Piratenpartei setzt sich für eine Änderung des Meldegesetzes ein und veranstaltet aus diesem Grund am 20. September den dritten “OptOutDay”. An diesem Tag sollen Bürger auf die Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten informiert werden. In den meisten Meldebehörden wird der Bürger nämlich nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen, was für sich genommen schon schlimm genug ist.
Jeder Bürger sollte die Möglichkeit zum Widerspruch nutzen. Nicht nur, um ein Zeichen gegen den staatlichen und privaten Datenhandel zu setzen, sondern auch um die eigenen Daten zu schützen. Immerhin wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung schon länger ein “Opt-In”-Verfahren. Bereits im Jahr 2008 führte das Marktforschungsinstitut infratest dimap eine repräsentative Umfrage zum Thema Datenschutz und Werbung durch. Dabei sprachen sich 95% der befragten Personen dafür aus, dass persönliche Daten nur mit Zustimmung des Betroffenen weitergegeben werden. Immerhin 82% der befragten Personen fühlen sich durch Werbung belästigt. Um diesen klaren Wünschen auch politisch Ausdruck zu verleihen, ist ein aktiver Widerspruch gegen die Melderegisterauskunft ein einfacher Weg.
In diesem Jahr ist der Protest besonders wichtig aber auch besonders Erfolg versprechend, da der Bundesrat am 21. September über die Melderechtsreform beraten wird. Die Chance, dass der Gesetzgeber endlich etwas für einen grundlegenden Schutz der Meldedaten tut, ist also so groß wie schon lange nicht mehr.
Formular zum Widerspruch gegen Datenweitergaben
Hinweis der Red: In München werden wir uns am OptOutDay von 11:00 bis 16:00 vor das Kreisverwaltungsreferat (Ruppert-, Ecke Lindwurmstraße) stellen, um die Bürger zu informieren.