Wir möchten nicht das schreiben, was viele andere schon geschrieben haben. Wir möchten über die Hintergründe schreiben, wie es dazu kommen konnte, was wir selber erlebt, gesehen, gefühlt haben. Viele von uns waren von Anfang an vor Ort dabei – sogar unser Vorsitzender, ein angehender Arzt, hat ehrenamtlich nächtelang medizinische Hilfe geleistet. Wir sind immer noch über das ganze Ausmaß schockiert.
Was müssen Menschen erlebt haben, dass sie ihr Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen? Sehen taten wir die Zelte auf dem Rindermarkt im Zentrum Münchens, wie Menschen anderer Herkunft dort in den Hungerstreik gingen. Vergessen hierbei, wofür sie eigentlich in den Hungerstreik gegangen sind. Es war eine lange Prozedur. Für Ihre Rechte haben diese Menschen nicht nur die letzte Woche gekämpft. Sie kämpfen seit Jahren bei Behörden für Ihre Rechte. Der weilen mussten sie mit ihren Kindern in menschenunwürdigen Unterkünften leben, die keiner von uns für sich akzeptieren würde, sie mussten sich mit Essenspaketen erniedrigen lassen, sich bei den Behörden rassistische Beschimpfungen anhören und wurden immer wieder hingehalten. Stelle sich einmal jeder von uns vor, was das für ein Leben ist, immer im Hinterkopf zu haben, dass man morgen schon abgeschoben werden könnte. Sie konnten sich auch nicht frei bewegen, in einem Land wo wir alle frei leben. All dies müssen wir uns vor Augen führen.
Während des Hungerstreiks wurden sie von Münchenern angepöbelt, beschimpft, beleidigt, rassistisch angegangen, über diese Erlebnisse schrieben die Medien nicht. Sie schrieben lieber, dass sie von Linksradikalen unterstützt werden, sie nicht mit sich reden ließen. Zu lesen war auch, dass ein Vermittlungsgespräch stattgefunden habe. Wir fragen uns natürlich was das für ein Vermittlungsgespräch ist, wenn in das Gespräch rein gegangen wird ohne irgendwelche Vorschläge oder mit der Vorgabe “Staat lässt sich nicht erpressen”. Sich hierbei auch noch ein Ergebnis zu erhoffen ist mehr als inkompetent. Der Erpressungsvorwurf kam sogar von Parteien, auf die diese Menschen sich verlassen haben. Diese Parteien schieben seit Jahren in anderen Bundesländern ohne Reue weiterhin ab.
Für einen friedlicheren, respektvollen, würdevollen Ausgang hat niemand hin gearbeitet.
Keiner braucht jetzt so zu tun, dass die Vorgehensweise brutal war. Dass dies so ausgehen wird , dass die Politik diese Menschen nicht ernst nehmen würde, wussten wir vor Ort alle.
Dies ist auch nicht der erste Vorfall dieser Art. Viele dieser Menschen haben sich schon bei uns in Deutschland das Leben genommen, weil sie Angst hatten abgeschoben zu werden, weil wir sie menschenunwürdig behandelt haben – mitten in Europa, in einem der reichsten Länder der Erde.
Wir machen uns lieber Gedanken wie es weitergeht. Wie wir Menschen dazugewinnen können, dass noch mehr sich hier Gedanken darüber machen, sich daran erinnern, welche Menschen/Nationen vor 60 Jahren Deutschen Unterschlupf/Asyl gaben, wo sie auch um Ihr eigenes Leben bangen mussten, weil sie denen halfen. Es reicht nicht alle paar Jahre Bücher zu lesen oder “Schindlers Liste” anzuschauen, wir müssen noch mehr tun.
Wir haben genug zu geben.
Ein Beitrag von Ali Yalpi, stellv. Vorsitzender im KV München