*Wir appellieren an ein kinder- und familienfreundliches München*
Die Münchener Zeitungen vom 12. November 2013 betitelten den vorläufigen Ausgang einer Klage mehrerer Anwohner aus Bogenhausen wie folgt: „Nachbarn erzwingen Lärmschutzwall gegen Kindergarten“.
Der vor zwei Jahren eingeführte §22 aus dem Bundes- Immissionsschutzgesetz beurteilt Kinderlärm weder als „schädliche Umwelteinwirkung“ noch dürfen „die Geräuscheinwirkungen durch Immissionsgrenz- und -richtwerte herangezogen werden“.
Der Richter hatte in vorliegendem Fall vor dieser rechtlichen Grundlage wohl seine Augen verschlossen.
Die Anwohner begründen ihre Klage mit den bereits vorhandenen Einrichtungen für unsere junge Generation. Ein Kindergarten sowie ein Gymnasium mit 800 Schülern würden den Lärmpegel soweit vorantreiben, dass die Bewohner nun nicht mehr auf ihrer Terrasse sitzen könnten.
Abgesehen davon, dass beide Anstalten zu üblichen Öffnungszeiten nur werktags geöffnet haben, werden sie weder in den Abendstunden noch in den Ferien genutzt.
Wir begrüßen, dass die Stadt München zweifelsfrei viele Angebote für Familien und Kinder bietet und deren Träger stadtnahe Institutionen sind.
Dennoch stellt sich die Frage, wie die Stadt Kinderfreundlichkeit bewertet.
Wir sehen, dass Gebäudekomplexe gebaut und Boltzplätze weggeplant werden.
Wir hören, dass Mahnungen wegen Kinderlärms zur Tageszeit verschickt werden.
Und wir schütteln den Kopf, wenn Basketballkörben abmontiert werden, da diese einen zu hohen Geräuschpegel verursachen würden.
Solche Beispiele aus der Landeshauptstadt gibt es in Unmengen.
Derartige Beschwerden sind auch in anderen Regionen Deutschlands längst keine Einzelfälle mehr und stehen zunehmend im Widerspruch zu den Debatten um mangelnde Kinderbetreuungsplätze und die beängstigende Alterspyramide.
Die Einstellung unter dem Motto „Nachwuchs gerne, aber nicht vor meiner Haustür!“ ist ein deutsches Problem und lässt sich in kaum einem ausländischen Land in solchem Maß wiederfinden. In anderen Kulturen wird Kinderlärm nicht als Belästigung sondern als Glückseligkeit empfunden, der es keiner Gesetze bedarf.
Dem Anliegen, Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland locken zu können, steht dieser kulturelle Gegensatz allerdings entgegen. Wenn sich die gegenwärtige Grundeinstellung und Handlungsweise nicht ändert, wäre vielleicht der nächste Schritt eine Klausel im Einwanderungsgesetz, die das Gründen einer Familie verbietet. So weit darf es nicht kommen und deshalb appellieren wir an die Wirtschaftslobby, Kommunen und Ländern entgegenzutreten und für eine kinderfreundlichere Politik zu kämpfen.
Die Gelder sollten dafür genutzt werden, unseren Sprösslingen die Chance zu geben, ihre Kindheit auch tatsächlich auszuleben und sie nicht durch Lärmschutzwälle auszugrenzen.
Ebenfalls müssen wir all die zahlreichen Berufsgruppen mit einbeziehen, die unsere kleinsten Mitbürger erziehen, ausbilden und pflegen. Jene müssen sich schon jetzt Streitigkeiten in der eigenen Nachbarschaft entgegenstellen, obwohl die Belastung in der Arbeitsstätte mehr als ausreichend und ihre Tätigkeiten essentiell wichtig für unsere Gesellschaft sind.
Knapp die Hälfte aller Einwohner Münchens sind Singles. Wenn sich bald nichts ändert, wird diese Zahl noch weiter ansteigen.
Ali YALPI
Vorstand Piratenpartei München