Am 17.04. hat unser Stadtrat Thomas Ranft eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt.
Dabei ging es um die Frage, wie sich die Stadt München auf TTIP und CETA vorbereitet.
Fragen und Antworten im Einzelnen:
Wie bereitet sich die Landeshauptstadt München auf TTIP und
CETA vor?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dr. Wolfgang Heubisch, Dr. Michael Mattar, Gabriele Neff, Thomas Ranft und Wolfgang Zeilnhofer-Rath (Fraktion Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung (FDP – HUT – Piraten)) vom 17.4.2015
Antwort Bürgermeister Josef Schmid, Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 16.04.2015 führten Sie als Begründung aus: „Durch den bevorstehenden Abschluss der Verträge CETA und TTIP werden sich auch Auswirkungen auf die Stadt München ergeben. Der Text des CETA-Abkommens wurde vor dem Abschluss bereits in das Internet gestellt (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/cetadokument-
101.pdf).“
Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen: Die Beantwortung der Fragen erfolgt durch das Referat für Arbeit und Wirtschaft.
Insbesondere die Fragen 2 und 3 werden im Benehmen mit den Stadtwerken München beantwortet. Vorab wird darauf hingewiesen, dass auf Grund des Spielraums in der Interpretation derartiger Verträge keine abschließende Darstellung der Auswirkungen getätigt werden können. Die im Zuge der Beantwortung erfolgten Aussagen spiegeln diesen Interpretationsspielraum gewissermaßen wider.
Frage 1:
Hat die Stadt München den Vertragstext auf Auswirkungen für die Stadtverwaltung überprüft?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München (LHM) befasst sich seit Ende des Jahres 2013 mit den Auswirkungen zukünftiger/möglicher internationaler Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TiSA. Die kommunale Betroffenheit derartiger Abkommen wurde vor allem im Rahmen des Beschlusses vom 22.10.2014, Nr. 14-20 / V 00558 ausführlich dargelegt.
Die kommunalrelevanten Teile des in der Zwischenzeit veröffentlichten Vertragstextes zum CETA-Abkommen wurden vom Fachbereich Europa im Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen sowie Deutschen Städtetag, dem Bundesverband öffentlicher Dienstleistungen, dem Verband kommunaler Unternehmen und anderen
Vertretern kommunaler Interessen fortlaufend überprüft.
Das seit 26. September 2014 vorliegende, offizielle englischsprachige Dokument zu CETA ist mit 1634 Seiten eines der umfassendsten Handelsdokumente, das die EU bisher ausgehandelt hat. Für Kommunen ist insbesondere der Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge von Interesse. Das RAW hat die Anliegen und Vorbehalte der LHM der EU-Handelskommissarin dargelegt. Im Antwortschreiben des Generaldirektors Jean-Luc Demarty im Auftrag der EU-Kommissarin Cecilia Malmström vom 12.12.2014 wurde dargelegt, dass über die generelle Ausnahme für die öffentliche Daseinsvorsorge weiterführend, spezifische Vorbehalte für folgende Bereiche aufgenommen werden:
- Staatlich finanzierte oder ansonsten staatlich geförderte Gesundheitsversorgung und soziale Dienste,
- staatlich finanzierte und geförderte Bildung sowie
- Dienste zur Wassersammlung, -aufbereitung, -verteilung und -bewirtschaftung.
Darüber hinaus wurde seitens der EU-Kommission bestätigt, dass CETA eine sehr weitgehende Ausnahme von Verpflichtungen für den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge beinhaltet (sogenannte „Vorbehalte“). Dies erlaubt u. a., öffentliche Monopole oder Konzessionen für bestimmte inländische private Anbieter auf kommunaler Ebene zu unterhalten.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im Rahmen einer „kleinen Anfrage“ der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen betreffend „Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA)“ umfassend zur kommunalen Betroffenheit Stellung genommen. Darin wird u.a. ausgeführt, dass
- die Vorbehalte zur Daseinsvorsorge im CETA-Abkommen jenen im GATS-Abkommen entspricht. Das bedeutet, dass CETA nichts an der seit etwa 20 Jahren geltenden Rechtslage bezüglich der Daseinsvorsorge ändern soll.
- das deutsche Vergaberecht sieht bereits seit langem den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter unabhängig von ihrer Herkunft vor. Insofern werden sich laut BMWi durch die Regelungen in CETA zur Inländerbehandlung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge keine neuen Verpflichtungen für öffentliche Auftraggeber in Deutschland ergeben.
- Darüber hinaus enthält CETA keine Verpflichtungen für Kommunen, Daseinsvorsorgeleistungen als öffentliche Aufträge an Dritte zu vergeben. Das wird durch eine Regelung über sogenannte Inhouse-Vergaben klargestellt. Nur sofern Kommunen Leistungen auf dem Markt an Dritte vergeben, können sie Marktzugangs- und Nichtdiskriminierungsprinzipien nach CETA unterliegen. Da nach deutschem Vergaberecht bereits jetzt Anbieter aus Nicht-EU-Staaten in Vergabeverfahren zuzulassen sind, soll sich durch CETA, nach derzeitiger Maßgabe, keine Änderung für deutsche Kommunen ergeben.
Frage 2:
Inwiefern betrifft Kapitel 17 des Abkommens (TELECOMMUNICATIONS) die Stadt München mittelbar über die Stadtwerke und M-Net?
Antwort der SWM:
„Kapitel 17 (Telecommunications) regelt Fragen des diskriminierungsfreien Netzzugangs, des grenzüberschreitenden Datentransfers, der Netzkopplung, des Wettbewerbs und der Aufsicht. Ein zentraler Punkt betrifft den Marktzugang für Telekommunikationsdienstleistungen. In Europa und auch Deutschland sind die Telekommunikationsmärkte bereits weitreichend liberalisiert worden. Sollte CETA in der z. Z. bekannten Fassung in Kraft treten, dürften diesbezügliche Auswirkungen auf die Aktivitäten der SWM – wenn überhaupt – gering ausfallen.“
Frage 3:
Welche Auswirkungen hat Kapitel 20 (STATE ENTERPRISES, MONOPOLIES AND ́ENTERPRISES GRANTED SPECIAL RIGHTS
(MSE)) auf die Tochterunternehmen der Stadt München wie SWM oder Wohnungsbaugesellschaften?
Antwort der SWM:
„Kapitel 20 betrifft Staatsunternehmen, Monopole und Unternehmen, denen spezielle Rechte oder Privilegien übertragen wurden. Geregelt wird die Gründung staatlicher Unternehmen und deren Aktivitäten sowie die Übertragung spezifischer Rechte auf Unternehmen. Zentraler Punkt ist, dass die dabei privilegierten Unternehmen bei ihren Käufen und
Verkäufen von Gütern oder Dienstleistungen kanadische Anbieter nicht diskriminieren dürfen und außerhalb der Erfüllung staatlicher Pflichten nach kommerziellen Grundsätzen operieren sollen. Die Vorschrift ist allerdings, zumindest teilweise, nicht vollständig. Bestimmte Ausnahmeregelungen sind zwar angelegt, die konkreten Regelungen aber noch offengelassen.
Soweit die SWM, wie im Energiebereich, auf liberalisierten Märkten aktiv ist, dürften die Auswirkungen der Regelungen des Kapitels 20, soweit sie bisher absehbar sind – wenn überhaupt – eher gering ausfallen. CETA enthält im Übrigen Ausnahmevorschriften von ansonsten geltenden Liberalisierungsvorschriften, insbesondere hinsichtlich des Marktzugangs,
die kommunale Dienstleistungen, darunter den ÖPNV sowie die Wasserversorgung betreffen.“
Allerdings sei seitens des RAW ergänzt, dass einzelne Detailfragen nach derzeitiger Maßgabe nicht restlos geklärt werden können, da wie bereits eingangs erwähnt, ein gewisser Interpretationsspielraum in der Auslegung spezifischer Vertragselemente besteht. Ferner wird es in Zukunft Dienstleistungen der Daseinsvorsorge geben, die sich erst noch durch den sozialen, demografischen und technologischen Wandel entwickeln, die jedoch noch nicht konkretisierbar sind. Dies betrifft ebenso zukünftige Organisationsformen. Aus diesem Grund vertritt das RAW aktiv die Interessen der LHM und beobachtet weiterhin die Entwicklungen internationaler Freihandelsabkommen. Die Zusammenarbeit mit dem
EU Parlament, der EU-Kommission, Kommunalvertreter sowie weiterer Partner auf EU-Ebene wird fortgeführt.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.