Die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen in München, Sabine Nallinger, hat gestern auf schwammige Art und Weise verkündet, dass sie den Umstieg der Stadtverwaltung von Windows und anderer proprietärer Software auf Linux und freie Software für einen Fehler hält, und diesen Wechsel rückgängig machen möchte.
Auch wenn sie später zurückruderte und sich herausreden wollte, dass es ihr „nur“ um die Anwenderfreundlichkeit der Computersysteme ginge, steckt doch mehr dahinter:
Die Münchener Stadtverwaltung stand 2003 vor einem Problem: 14000 Computer der Stadtverwaltung liefen mit dem Betriebsystem Windows NT 4, für das es nicht mehr lange Sicherheitsaktualisierungen geben würde. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die übernächste Version Windows XP erschienen, dessen erweiterterter Support mit Sicherheitsaktualisierungen am 8.4.2014 auslaufen wird (Auf dieses Datum kommen wir später noch zurück).
Es war klar, dass für ein neues Betriebsystem Kosten anfallen würden, es stellte sich nur die Frage, ob Microsoft davon profitieren soll, wenn neue Windows-Lizenzen angeschafft würden, oder ob eine andere Lösung gefunden werden könne. München entschied sich dafür, ein Betriebsystem auf Basis von Linux zu entwickeln, obwohl die Anschaffung von Windows-Lizenzen der bequemere Weg gewesen wäre.
Denn es geht bei einem Wechsel des Betriebsystems nicht nur um das Betriebsystem selbst, sondern auch die Anwendungen, die für die eigentliche Arbeit wichtig sind: Office-Software, Verwaltungsanwendungen und Email-Programme. Deshalb hat die Stadtverwaltung auch eine eigene Linux-Distribution mit dem Namen LiMux entwickelt.
Andere Städte haben es in dieser Zeit auch versucht, auf freie Software umzusteigen – und sind gescheitert, u.a. Wien und Freiburg, während München nach eigener Aussage in den vergangenen 10 Jahren durch den Wechsel auf freie Software ca. 11 Mio. Euro eingespart.
Neben dem finanziellen Aspekt spielen aber noch andere Punkte eine Rolle, warum der Umstieg zu LiMux eine gute Idee war:
Freie Software liegt im Quelltext vor. Jeder interessierte mit ausreichend Programmierkenntnis und -erfahrung kann das Programm analysieren und eventuell vorhandene Fehler ausbessern. Dadurch können Programme auch an eigene Bedürfnisse angepasst werden – der Autor hat dies für Musiksoftware auch gemacht. Gefundene Schwachstellen werden öffentlich gemacht und diskutiert, damit jeder Nutzer seine eigenen Schlüsse ziehen kann, und eventuell dann das Programm nicht mehr einsetzt.
Im Gegensatz ist dies bei proprietärer Software nicht möglich. So ist es möglich, dass Dritte Funktionen in Programme einbauen lassen, die zum Schaden von Nutzern sind. Seit 1999 ist bekannt, dass in Microsoft Windows eine Lücke von der NSA eingefügt wurde, die eine starke Verschlüsselung verhindert.
Betimmte Daten müssen langfristig archiviert werden. Auch hier tritt das Problem der Abhängigkeit von der darunterliegenden Software auf. Wenn das Datenformat für die Speicherung nicht offen ist, ist es nicht einfach möglich, auf diese Daten wieder zuzugreifen.
Wenn die Daten in einem offenen Format gespeichert sind, können diese auch von einem Format in ein anderes übertragen werden. Auch hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass dies bei Freier Software deutlich einfacher zu machen ist.
Die Stadtverwaltung speichert und verarbeitet sensible Daten von Bürgern und Mitmenschen. Gerade diese verdienen besonderen Schutz. Und für diesen Schutz ist es unumgänglich, dass überprüft werden kann, wie sicher diese gespeichert werden. Dies geht nur mit Freier Software – auch wenn manchmal Anwender ihren Umgang mit Software ändern müssen.
Dies gilt aber erst recht für proprietäre Software: Gab es bei der Einführung von Windows XP Proteste, weil das Startmenü nicht mehr so aussah wie bei den Vorgängern, gab es erst vergangenes Jahr Proteste von Nutzern, weil Windows 8 kein Startmenü mehr hatte.
Erinnern Sie sich an das Datum 8.4.2014, das oben erwähnt wurde? Ab diesem Zeitpunkt erhält Windows XP keine Sicherheitsupdates mehr. Sicher, das Betriebsystem ist bereits 13 Jahre alt, aber in der Berliner Stadtverwaltung läuft die Mehrzahl der Rechner noch mit diesem System.
Deshalb soll unserer Meinung nach die Stadtverwaltung eben nicht zurück zu Windows wechseln, sondern im Gegenteil sogar andere Städte unterstützen, auf Freie Software umzusteigen.
Aber vielleicht denkt Frau Nallinger nur daran, dass Microsoft seine Deutschland-Zentrale demnächst von Unterschleißheim nach München verlegt. Da ist es natürlich für Microsoft nicht gerade bequem, wenn der Ort ihres Firmensitzes auf Freie Software setzt.
Vielleicht hofft aber Frau Nallinger auch, dass die Kosten für die Softwarelizenzen indirekt durch höhere Gewerbesteuereinnahmen von Microsoft Deutschland wieder in die Stadtkasse gespült werden.
Oder aber Frau Nallinger bereitet schon eine Schwarz-Grüne Stadtregierung vor, schließlich war die CSU die einzige Partei, die sich von Anfang an gegen Linux ausgesprochen hatte.
Thomas Mayer, Software-Entwickler, Kandidat für den Stadtrat Platz 19
Nicht vergessen es gibt weitere Spätzünder mit XP:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Windows-XP-noch-auf-Dreiviertel-der-Rechner-im-Bundestag-2104836.html
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schleswig-Holstein-Noch-tausende-Verwaltungsrechner-mit-Windows-XP-2116499.html